Bericht von der Mitgliederversammlung & den Fachvorträgen
Am Samstag, dem 27. April 2024, fand die diesjährige Mitgliederversammlung in den Räumlichkeiten der Volkshochschule Jena statt. Der Einladung folgten 32 Mitglieder und Gäste. Die Selbsthilfegruppe in Jena unter Leitung von Karin Gjudjenow sorgte mit selbstgebackenem Kuchen und warmen wie kalten Getränken für eine angenehme Atmosphäre.
Der Mitgliederversammlung ging wie in den vergangenen Jahren ein Vortragsangebot voraus.
Den ersten Vortrag mit dem Titel „Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ hielt Dr. Sindy Weise von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Gleich zu Beginn ihres Vortrages gewann sie die volle Aufmerksamkeit des Publikums, indem sie die Anwesenden nach ihren persönlichen Erfahrungen befragte. Dann ging sie ausführlich darauf ein, was zur Entstehung von psychischen Belastungen in diesem Alter beitragen kann. Es gibt verschiedene Risikofaktoren: individuelle wie die Gene, frühe Lern- und Beziehungserfahrungen, Belastungsfaktoren wie Traumata und körperliche Erkrankungen, Stressoren wie die Entwicklungsaufgaben beim Übergang von der Kita in die Schule und Risikofaktoren wie Armut und erkrankte Eltern. Demgegenüber gibt es aber auch Schutzfaktoren. Hierzu zählen psychische Ressourcen wie die Entwicklung von Bewältigungsmechanismen, aber auch soziale Ressourcen wie sie das soziale Unterstützungssystem anbietet. Es sei sehr wichtig, diese Schutzfaktoren möglichst frühzeitig zu stärken, da das Kindes- und Jugendalter eine sensible, vulnerable Phase für die Ausbildung von psychischen Erkrankungen ist: 75 % aller psychischen Erkrankungen beginnen vor dem 24 Lebensjahr, bei über 40 % kommt es zu mindestens einer weiteren Begleiterkrankung. Langzeitfolgen sind ein hohes Risiko der Chronifizierung und der Schulausfälle mit Folgeproblemen für die berufliche Entwicklung und soziale Integration. Während vor der Corona-Pandemie etwa 18 % der Kinder und Jugendlichen psychisch Probleme aufwiesen, waren es während der Pandemie (2020-2021) über 30 % und seit 2022 ca. 23 %. Ein Viertel der Kinder und Jugendlichen ist betroffen, aber nur etwa ein Drittel von ihnen findet Unterstützung im Versorgungssystem. Gründe hierfür sind Lücken im Versorgungssystem und lange Wartezeiten auf Therapieplätze, aber auch fehlendes Wissen über psychische Erkrankungen und Behandlungsmöglichkeiten sowie Angst vor Stigmatisierung. Wege zur Verbesserung wären zum einen die Anpassung des Versorgungssystems an den gestiegenen Bedarf wie es der Referentenentwurf zum Gesundheitsversorgungsgesetz vorsieht und zum anderen niedrigschwellige Präventionsangebote wie die psychische Gesundheitsförderung an Schulen.
Wichtig wäre es, überhaupt eine Bestandsaufnahme zur psychischen Gesundheit an Thüringer Schulen zu beginnen und ein Monitoring-System zu implementieren (z.B. BIPSY-Monitor der Universität Leipzig zu Bildung und psychischer Gesundheit).
Als positives Beispiel verwies Dr. Weise auf die G-U-C-K-Hin Studie der Universität des Saarlandes. Diese Studie (Beginn 2022, jährliche Fortsetzung, fast 4.000 Schüler*innen an 58 Schulen) untersucht die Auswirkungen der gegenwärtigen Krisen (Generation, Ukrainekrieg, Covid-19, Klimawandel auf die psychische Gesundheit und politische Partizipation saarländischer Jugendlicher. Erste Ergebnisse zeigen u.a. einen Zusammenhang von Pandemie- & Klimastress mit Symptomen der Depression und Angst, während der Stress durch den Ukraine-Krieg mit Angstsymptomen zusammenhängt. Wichtiger Schutzfaktor dagegen sei die Selbstwirksamkeit.
Dr. Weise schloss ihren Vortrag mit der Vorstellung der psychotherapeutischen Hochschulambulanz für Kinder, Jugendliche und Familien (PHAK) der Universität Jena ab. Die Ambulanz hat drei Arbeitsfelder: 1. Die Lehre zur Ausbildung von Psychologiestudierenden, 2. Die Forschung zur Entstehung von internalisierenden Störungen wie Angst und Depression, die Auswirkung von gesellschaftlichen Krisen und Psychotherapie, 3. Die Versorgung durch ambulante Psychotherapie unter Einbeziehung der Familie, Einzel- und Gruppentherapie. Eröffnet wird die Hochschulambulanz am 27.09.2024.
Den zweiten Vortrag zur „Partizipativen Forschung am Standort Halle-Jena-Magdeburg des Deutschen Zentrums für psychische Gesundheit“ hielt unsere Vereinsvorsitzende, Dr. Heike Stecklum (Foto 1). Sie hatte hierzu bereits einen ausführlichen Artikel in der letzten Ausgabe unserer Vereinszeitschrift (Schwalbe Nr. 53, 01/2024) veröffentlicht. Ergänzend zu diesem Artikel stellte sie konkrete Forschungsprojekte vor, an denen auch Mitglieder und interessierte Angehörige teilnehmen können. Geeignete Forschungsprojekte sind JE1 „Die Schaltkreisbasis der Verhaltens(fehl)anpassung“ und JE2 „Untersuchung der von der Neuro-Bildgebung abgeleiteten Prädiktoren und Mediatoren von Krankheitsverläufen bei affektiven Störungen“. Betrachtet werden die Auswirkungen früher Widrigkeiten und Traumata auf die gesamte Lebensspanne. Hierzu dient auch die Auswertung der australischen „Raine-Study“. An dieser Studie haben 2.900 schwangere Frauen (1989-1992) teilgenommen. Ziel war es, den Einfluss von Schwangerschaft und Kindheit auf die Gesundheit im späteren Leben zu erkennen. Eine Beteiligung ist beim Umgang mit den Forschungsdaten und bei der gemeinsamen Dateninterpretation möglich. Beim Forschungsprojekt JE3 „Modifizierung unangepasster sozialer Interaktions- und Synchronisationsmuster“ kann an der Entwicklung eines Leitfadens für ein qualitatives Interview und dessen Auswertung mitgewirkt werden.
Dem Mittagessen folgte die Mitgliederversammlung. Nachdem über die Tagesordnung abgestimmt wurde, erläuterte die stellvertretende Vorsitzende Annette Romankiewicz (Foto 2) den Finanzbericht für das Haushaltsjahr 2023 mit einer Power-Point-Präsentation. Anschließend verlass Christine Fischer des Kassenprüfbericht. Dr. Heike Stecklum veranschaulichte den Geschäftsbericht für 2023 und die Vorhabenziele für dieses Jahr ebenfalls mit einer Power-Point-Präsentation. Es wurde sehr deutlich offenbar, wie viel der Verband leistet und wie enorm groß das Arbeitspensum der vier Vorstandsmitglieder ist. Dann erfolgte die einstimmige Entlastung des Vorstandes durch die anwesenden Mitglieder. Als nächstes stand die Wahl des/der Schatzmeister*in auf der Tagesordnung. Hierzu gab es leider keine Bewerbung. Dem folgte die Wahl von Beisitzer*innen. Hierfür kandidierte Ulrike Pütz (Foto 3), die Leiterin der Selbsthilfegruppe Pößneck. Bei einer Enthaltung wurde sie gewählt. Schließlich endete die Veranstaltung mit einem Willkommensstrauß an die im letzten Jahr eingetretenen und anwesenden Neumitglieder: Karola Kalbitz und Jörg Kirchner (Foto 4).
Wir danken dem Arbeitskreis Selbsthilfeförderung der GKV (gesetzlichen Krankenkassen) im Freistaat Thüringen für die Mitfinanzierung der Veranstaltung!